Sanierung der Kirche 2012/2013 - Dokumentation der Informationen zum Umbau
Der Kleine Michel wird saniert: Oktober 2012 bis Sommer 2013
Ausführlichere Information über die Sanierung des Kleinen Michel (August 2012)
Zur Baugeschichte. Der Kleine Michel steht an der Stelle der ersten Kirche in der Hamburger Neustadt, die als lutherische Friedhofskirche um 1600 entstand. Eine wechselvolle Baugeschichte, bei der der größere Ersatzbau, der "Große Michel", die erste Michaeliskirche ablösen sollte, führte im Zuge der napoleonischen Reformen dazu, dass 1811 der Kleine Michel die erste katholische Kirche in Hamburg nach der Reformation wurde. Napoelon hat auch verfügt, dass Inventar aus dem Kölner Dom (Paramente, das Ewig-Licht, 14 Silberleuchter, Kelche, Vortragekreuz) an den Kleinen Michel verbracht wurden. Der Kirchbau wurde vielfach erweitert und umgestaltet, dann aber im Zweiten Weltkrieg zerstört. 1953-55 wurde der Kleine Michel auf den Fundamenten des Vorgängerbaus neu errichtet. Da die Finanzierung des Neubaus aus Frankreich kam, konnte sich der Architekt Jean-Charles Moreux (1889 bis 1956) mit seinem neoklassizistischen Entwurf durchsetzen. Der Hamburger Architekt Gerhard Kamps verantwortete ansonsten den Wiederaufbau.
1977/1978 wurde der Kirchenraum im Inneren durch die Architekten Bunsmann + Scharf, Hamburg, grundlegend neu gestaltet mit dem Ziel "dass er den Anforderungen als Akademiekirche, Predigtkirche und als Kirche für Pontifikal- und Konzelebrationsämter in dieser exponierten Lage funktionell und ästhetisch gerecht wird." (Notiz aus dem Bauausschuss 1977). Nachdem jedoch der Sitz des Erzbischofs für Hamburg 1995 nicht der Kleine Michel wurde, bleibt die pontifikale Anordnung der Sedilien ohne hinreichende Begründung. Bleibend ist jedoch die Bedeutung der Verbindung zur Katholischen Akademie und als Predigtkirche, was auch dadurch betont wird, dass die Seelsorge am Kleinen Michel 2006 dem Jesuitenorden anvertraut wurde. Darüber hinaus hat der Umbau der 70er Jahre durch massive Leuchten und den Umbau des erhöhten Altarraumes die Raumwirkung stark beeinträchtigt und die Neigung zumindest nicht gemindert, die Kirche in den folgenden Jahrzehnten zunehmend mit weiteren Ausstattungsgegenständen zu füllen.
Die Sanierung 2012/2013 folgt dem Grundanliegen, den ursprünglichen Raum von 1955 wieder zur Geltung zu bringen und die einzelnen Elemente der Gestaltung dieser Raumwirkung dienstbar zu machen. Insgesamt ist eine Beruhigung des Kirchenraumes angestrebt, die dazu einlädt, ihn als Ganzem als Ort des Gebetes und der Erfahrung des Heiligen zu entdecken. Dazu soll der Altarraum mit dem Gang um die Stützen der Apsis geöffnet und auf die ursprüngliche Höhe von drei Stufen zurück geführt werden (Bis 1977 hatte nur der im Scheitel der Apsis stehende Altar weitere drei Stufen, die zu ihm hoch führten). Der Fußboden wird mit einer Heizung unterlegt und zwischen Kirchen- und Altarraum einheitlich gestaltet (in einheitlichem Ton - eventuell in Anlehnung an das Rot der jetzigen Fließen - als Estrich gegossen und leicht gefugt). Die Stützen des Umgangs sollen freigelegt werden und nur durch davon abgesetzte Elemente der Blick durch die Apsis in den Umgang beruhigt werden. Die Seitengänge sollen auf die Breite des Umgangs erweitert, der Triumphbogen um ca. 40cm verschlankt werden. Ein barockes Kreuz soll im Scheitel der Apsis seinen Ort finden. Die Kirchenbänke sollen aufgearbeitet und wiederverwendet werden. Eine komplett neues Beleuchtungskonzept soll auf den Entwurf für die Prinzipalien Bezug nehmen.
- Der westliche Eingangsbereich soll freigestellt werden. Das mittlere Portal wird der normale Haupteingang. Das Gitter und der Altar (Jesus und die Kinder/Elisabeth) werden entfernt. Der Fußboden soll als Erinnerung an den historischen Belag erhalten bleiben; allerdings sind Läufer oder Sauberlaufzonen notwendig, was das verunmöglichen könnte. Entsprechend der Empfehlung des Denkmalschutzes bleibt die Glastüranlage erhalten; nur die Farbigkeit wird beruhigt.
Gegenwärtig sind rechts und links Flächen vorgesehen, die Auslage von einigen Informationen ermöglichen - Alternative 1: Nur auf einer Seite Auslage von notwendigsten Informationen, auf der anderen Seite eine zu gestaltende Rückwand, im Blick darauf, dass zu gewissen Zeiten die Wundfangtüren geschlossen sein werden und so der Vorraum doch auch als sakraler Raum erlebt werden kann.
- Alternative 2: Gar keine Schriften oder nur an den 80cm-breiten Säulen im Rücken des Eintretenden, dafür an beiden Seiten Gestaltung
- Alle anderen Schriften und Informationstafeln werden in den Aufgang zur Empore verlegt. Im Erdgeschoss können Schriften und einzelne Bücher angeboten werden. Entlang dem Treppenaufgang kann die Geschichte des Kleinen Michel dokumentiert werden. Der Aufgang ist vom Hauptraum nicht getrennt (ohne Vorhang oder dgl.)
- Das Beichtzimmer bleibt erhalten. Zwischenzeitliche Überlegungen, hier einen Andachtsraum mit 2 Heiligenfiguren (Maria, Ansgar) zu schaffen, wurden verworfen, weil kein adäquater Raum für die Beichte an anderem Ort zur Verfügung stünde und ein entsprechend großer Beichtstuhl im Hauptraum den Raum mehr beeinträchtigen würde, als wenn zwei Figuren dort stünden. In jedem Fall war das Anliegen des Pfarrers ausschlaggebend, dass die Beichtgelegenheit im Kirchenraum sicht- und erlebbar ist. Im Beichtzimmer dokumentiert der Fliesen-Boden von 1955 den ursprünglichen Bestand. Beheizung erfolgt durch einen einfachen Radiator; der Mittelteil der stuckatierten Decke wird evtl. mit einem schallschluckenden Aufputz versehen.
- Der Hauptraum wird freigestellt.
- Die Bänke werden so verkürzt, dass die Seitengänge die Breite des Umgangs im Chorraum haben. Da die Stufenanlage zurücktritt, können nach vorne eine oder zwei zusätzliche Bankreihen gestellt werden. Zwischen den Säulen sollen keine Randbänke mehr stehen.
- Der Mittelgang bleibt aus liturgischen Gründen erhalten, aber das Taufbecken rückt aus der Mitte nach hinten.
- Der Boden wird monochrom mit leichter Rasterstuktur gegossen. Als Farbe ist der Ton der bisherigen Fliesen im Gespräch. Derselbe Boden zieht sich auch durch den Chor und Chorumgang. Er erhält eine Fußbodenheizung unterhalb der Bänke. Über die Anordnung einer ergänzenden Luftheizung ist noch nicht entschieden.
- Die Wände und Decken werden farblich beruhigt; über eine Farbe (oder weiß) wurde noch nicht entschieden.
- Auf der Höhe des Taufbeckens zwischen den ersten Säulen nach der Empore sollen die (farblich überarbeiteten) Figuren des Hl. Ansgar und der Madonna (bisher im Eingang) Platz finden.
- Die Decke unter der Orgelempore und eventuell die Seitenwangen der Westseite über der Empore werden mit Schallabsorbern verputzt, ebenso der Streifen an der Decke über den Seitengängen. Als weitere Absorberflächen kommen die Rückseiten der Elemente zwischen den Chorstützen und, wenn es sich als unumgänglich erweisen sollte, die gesamten Flächen zwischen den Säulen im Chorumgang in Frage. Im letzteren Fall ist zu überlegen, ob diese von vorne herein einen leicht geänderten Farbton bekommen sollen, weil wegen des anderen Putzes zu erwarten ist, dass sich der Farb- oder Weißton in dem Bereich über die Jahre anders entwickelt.
- Die Außentüren Süd und Nord bleiben erhalten. Im Süden - zum künftigen Innenhof der Akademie - wird außen eine neue Treppenanlage entworfen. Im Norden wird die vorhandene Treppenanlage gesäubert. Es wird angestrebt, die Buschanlage um den Parkplatz so zu reduzieren, dass der Eingang sichtbar wird, wenn man aus Richtung Altstadt kommt. Eine Lösung, wie diese Tür auch bei schlechten Witterungsverhältnissen offen gehalten werden kann, wurde noch nicht gefunden.
- Der Chorumgang wird komplett freigestellt; die Stützen sind bis zum Boden sichtbar. Im Rohbau soll entschieden werden, ob wie angedacht zwischen die Stützen mit einer Fuge abgesetzt ca. 2,5m hohe Elemente gehängt werden, die einerseits den Blick in den Chorraum beruhigen, andererseits auf ihrer Rückseite schallabsorbierend gestaltet werden können.
- Der Chorbogen wird um 40cm verschlankt; da die Stützen ohne statische Funktion sind und der Bogen selbst als Rabitzkonstruktion ausgeführt ist, ist der Aufwand vertretbar.
- Zwischen die Stützen im Scheitel soll in jedem Fall ein Element kommen; in der ursprünglichen Kirche war hier der Kamin der Heizung bis oben hin zugemauert. Derzeit führt ein Lüftungsschacht bis ca. 2/3 der Raumhöhe und lässt die Rosette sichtbar.
Angedacht ist ein transluzentes Element in voller Raumhöhe, das einerseits den Eingang zur Sakristei verdeckt, andererseits das Licht von der Rosette sichtbar lässt. Die Alternative wäre, die Elemente zwischen der Stützen in einheitlicher Höhe zu gestalten; jede Zwischenlösung würde willkürlich wirken, weil so je nach Standort eine Zwischenlinie unterhalb der Rosette sichtbar würde. - Das vorhandene Barockkreuz soll zwischen die Stützen im Scheitel des Chorraumes gehängt werden, entweder vor die transluzente Trennwand oder frei zwischen den Stützen (dann bildet die Fläche unterhalb der Rosette den Hintergrund).
- Die Prinzipalien werden in einem begrenzten Wettbewerb ausgeschrieben. Der nachfolgende Entwurf für den Ausschreibungstext bedarf der Beratung im Bauausschuss und der Abstimmung mit der Kunstkommission:
Prämissen zur Gestaltung der Prinzipalien
Ob aus der jetzigen Ausstattung Elemente übernommen werden sollen, ist eine Entscheidung, die als Teil in einem künstlerischen Wettbewerb entschieden werden soll. ist. Leitend sollte ein in sich und zum Raum stimmiger Entwurf sein, der den liturgischen Anforderungen genügt.
- Der Altar soll entweder übernommen, umgestaltet oder auch neu gestaltet werden; gegenüber wäre bei einer Neugestaltung die Breite wohl zu reduzieren, damit der Priestersitz seitlich dahinter mit Blickkontakt zur Gemeinde Aufstellung finden kann. Es ist, nicht zuletzt im Blick auf die Kostengrenze, wahrscheinlich, dass Teile des vorhandenen Altars oder den ganzen Altar wieder verwendet werden. In jedem Fall soll die Ansgarreliquie im Altar vom Kirchenraum weiterhin sichtbar bleiben.
- Die Altarleuchten sollen in unmittelbarem Bezug zum Altar aufgestellt werden. Die Leuchten sollen so gestaltet sein, dass bei besonderen festlichen Gottesdiensten einige der barocken Silberleuchter Verwendung finden können, etwa indem sie gegen die normalen Kerzenhalter ausgetauscht werden können. Die Anzahl ist in der Auslobung nicht festgelegt; es sollten mindestens zwei sein; die größeren der Barockleuchter können u.U. auch ohne Sockel platziert werden.
- Der Ambo soll an der Südseite der Treppenanlage neu gestaltet werden. Eine leichte Erhöhung zum Zweck der besseren Sichtbarkeit kann erwogen werden.
- Evangeliar. Für die Ablage und die Präsentation des Evangeliars nach der Verkündigung und außerhalb der Gottesdienste soll ein geeigneter Ort ("Evangelienschrein") geschaffen werden. Der Ambo selbst kann so gestaltet sein, dass man auf der dem Volk zugewandten Seite das Evangeliar nach der Verkündigung des Evangeliums ablegen kann. Ein vorhandenes Bronze-Pult aus dem 19. Jahrhundert kann in die Gestaltung einbezogen werden.
- An Sedilien ist eine Gruppe von drei Sitzen für den Hauptzelebranten (wird später ergänzt durch Mikrophonständer mit dezenter Ablage) und zwei Konzelebranten sowie weitere neun Sitze für andere Mitwirkende (Lektoren, Kommunionhelfer, Ministranten) vorzusehen. Die Stellung der Sedilien soll so gewählt werden, dass sie mit der Raumkomposition korrespondiert.
- Der Tabernakel ist am nördlichen Triumphbogen vorgesehen. Das barocke Ewig-Licht soll wieder zum Einsatz kommen und sollte einen geeigneten Ort finden. Der bisherige Tabernakel oder Teile daraus können in dem Entwurf verwendet werden.
Dazu kommen die Gestaltung weiterer liturgischer Raumelemente:
- Eventuell ein eigener Aufbewahrungsort für die heiligen Öle
- Das bisherige Taufbecken soll weiter verwendet und im Mittelgang des Hauptschiffes platziert werden.
- Der Osterleuchter kann wie vorhanden in die Gestaltung integriert werden; während der Osterzeit steht er im Altarraum, sonst am Taufbecken. Es kann auch ein neuer Leuchter gestaltet werden, der aber für den genannten Ortswechsel geeignet sein muss.
- Das Vortragekreuz (vorhanden in einfacher Gestalt oder das barocke bei Festgottesdiensten) mit einem Ständer soll in die Gestaltung des Altarraums angemessen integriert werden. Dazu ist ggf. eine Halterung zu entwerfen, wenn der vorhandene Ständer nicht zu dem Entwurf der Prinzipalien passt.
Zum Hintergrund: Überlegungen zu den Pastoralen Aufgabe des Kleinen Michel
Der Kleine Michel ist eine typische Citykirche, die nicht durch eine feste, im Stadtteil wohnende Gemeinde gekennzeichnet ist, sondern in verschiedener Weise Christen aus dem ganzen Stadtgebiet zu Gottesdiensten und anderen geistlichen Veranstaltungen versammelt.
- Markant sind der Haupt-Gottesdienst, der eine große Vielfalt der in der katholischen Kirche von Hamburg präsenten Kulturen widerspiegelt, ein sonntäglicher Abendgottesdienst, der jüngere Erwachsene und im Glauben suchende Menschen anspricht, und die zahlenmäßig zwar kleinere, aber durch die Geschichte dem Kleinen Michel verbundene französische Gemeinde (Ansgar stammte aus Frankreich; unter Napoleon wurde der Kleine Michel katholisch; der Wiederaufbau nach dem Krieg wurde durch die französische Regierung finanziert; der Hl. Bernhard von Clairvaux wurde aus diesem Anlass zum Co-Patron der Kirche).
- Ein weiterer Schwerpunkt soll auf geistlichen und geistlich-kulturellen Angeboten an den Werktagabenden für Menschen liegen, die zunächst keinen Zugang zur klassischen liturgischen Formsprache haben.
- Der Kleine Michel ist die am meisten tagsüber von Betenden und Stille-Suchenden besuchte katholische Kirche in Hamburg und wird, da sie auf der Achse Rathaus/Michel liegt, auch von Touristen viel besucht.
- Auch künftig sollen im Kleinen Michel besondere musikalische Veranstaltungen stattfinden. Der wieder freigestellte Umgang könnte Gelegenheit bieten, künftig zeitweise auch moderne Kunst zu präsentieren.
Martin Löwenstein SJ
August 2012